EINE EPISODE AUS MEINEM BUCH
Was und wer ist ein Ausländer? War ich nun Ausländer? Mein ganzes Leben war ich nun schon im Ausland. Zuerst war ich in Deutschland so eine Art Ausländer und nun war ich im Ausland und war schon wieder ein Ausländer. Bis auf meine Lehrzeit, da war ich Sklave.
Nun war ich also mit einer Ausländerin verheiratet. Was würde ich in meiner Heimat, dem Riesengebirge sein, dort, wo ich geboren wurde? Heute regieren dort die Tschechen. Sollte ich einmal dorthin zurückkehren, um eventuell Urlaub zu machen und mir bewusst meine Geburtsstätte ansehen zu wollen, wäre ich schon wieder im Ausland. Hatte ich ein Zuhause, eine Heimat? Nein, aber ich hatte eine Frau. Was wollte ich mit ihr machen, wenn ich wieder zur See fahren wollte? Unmöglich, jetzt musste ich mir eine Stelle an Land besorgen. Auch konnte ich nicht mehr bei meinen Eltern wohnen.
Ich merkte plötzlich, dass noch sehr viele Fragen offen geblieben waren. Heiliger Neptun, steh‘ mir bei! Aber er erhörte mich nicht. Dafür meldete sich einmal wieder mein kleiner Kobold. In Deutschland eine Gaststätte zu eröffnen, sei doch eine gute Idee, meinte er. Asiatische Küche, leckere Currys, natürlich auch Schnitzel und Bockwurst für meine nicht so weit gereisten Gäste.
Ich war nun fast vierundzwanzig Jahre alt und noch nicht bei dem Militär gewesen. Also würden sie mich noch holen und dann? War wohl doch nichts mit der Kneipe. Überhaupt, erst einmal abwarten und sehen, wie viel Geld ich zur Verfügung haben würde, wenn wir in Bremen ankamen. Die reinen Fahrtkosten der Überfahrt meiner Frau waren kostenlos, aber das Verpflegungsgeld von vier Mark und achtzig wurde mir für jeden Tag, an dem meine Frau an Bord war, abgezogen.
Am 17. September 1965 erreichten wir Bremen. Die Reise verlief sehr ruhig und angenehm. Es war wunderschön, jeden Tag mit Chitra zusammen zu sein. Noch schöner waren die Nächte mit ihr.
Es gab ein paar Kleinigkeiten, wie zum Beispiel, meiner Frau das Kartoffelessen nahezubringen oder Rotkohl mit Knödeln, auch das Sauerkraut bereitete ihr große Probleme. Zu unserem geliebten Graubrot sagte sie, wir würden Pappkartons essen. Ich hatte noch Dosen mit Pumpernickel für besondere Anlässe. Ich versuchte erst gar nicht, ihr diese Delikatesse anzubieten. Reis zum Frühstück, Reis zum Mittag und Reis am Abend. Welcher Mitteleuropäer könnte das aushalten? Eine Asiatin schon. Sie hatte sich vor unserer Abreise noch grauenhafte Dinge zum Essen eingekauft: stinkende Fische. Und verdächtig scharf aussehende Gewürze – alles, was verdächtig scharf aussah, war unter Garantie richtig scharf.
Der riesige Blechbehälter, der aussah, wie ein Sarg, war vollgestopft mit dieser Art von Nahrungsmitteln. Dazu kamen Saris, Sandalen, Unterwäsche, etwas Goldschmuck und Mengen von Trockenfisch, Gewürzen und rote Chillies für mindestens hundert Jahre.
Drei Monate waren wir auf See, mit kurzen Stopps zum Bunkern und zur Proviantaufnahme. Alle Häfen ohne Landgang; was sollte jemand auch in Port Sudan, Dschibuti oder Aden? Dann noch durch den Suezkanal und wir waren fast zu Hause.
Beirut, Limassol, Istanbul und Tanger waren noch auf unserer Anlaufliste, wohl alles Tee-Abladehäfen. Dann nur noch durch die Straße von Gibraltar, die Biskaya, den Ärmelkanal und wir waren in Bremen.
Was ich sonst immer in den Häfen gesucht hatte, war nun alles täglich und auch in der Nacht zu bekommen. Ich konnte nun, ohne an Land zu gehen, bumsen, wann ich wollte, soviel ich wollte oder konnte, denn Chitra wollte auch immer. Es läge wohl an der Seeluft, sagte sie. Verheiratet zu sein war schön, man brauchte auch die Kammer nicht sauber zu machen, das Bett war gemacht und die Wäsche gewaschen. Keine Gedanken daran, wann und wo man die nächste Frau aufreißen kann, keine Sorgen um untreue Freundinnen. Man konnte sich auch einfach nur mit Chitra unterhalten. Und versuchen, ihr die deutsche Sprache beizubringen.
Sie konnte keinen Brocken Deutsch, nur das etwas indisch klingende Englisch mit dem gewissen Singsang. Mein Englisch war auch auf Seefahrerniveau stehen geblieben. So kam es vor, dass es Missverständnisse gab. Wenn meine Angebetete „I am hungry“ sagte, nahm ich sie in den Arm und fragte sie, worüber sie sich ärgern würde, ich würde schon alles in Ordnung bringen. Aber zu essen bekam sie nichts. Denn ich hatte „I am angry“ verstanden. Hungry – hungrig, angry – ärgerlich. Aber man lässt sich doch nicht von solchen Nebensächlichkeiten unterkriegen. Alle an Bord versuchten, mit ihr Deutsch zu sprechen, besonders der Funker, der immer freie Zeit hatte, bemühte sich sehr.
Von unterwegs, vom Mittelmeer aus, trug ich dem Funker die Aufgabe auf, meinen Eltern ein Telegramm zu schicken, mit dem ungefähren Wortlaut: „Ihr Lieben, habe in Colombo geheiratet und werde ungefähr Mitte September bei euch zu Hause erscheinen. Liebe euch. Gruß von eurem Sohn und Schwiegertochter Chitra.“ So überraschend kann eine Mutter zu einer Schwiegertochter kommen.
Anmerkung des Autors: Die Problematik einer Ausländer Heirat…..
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