Warzen-Elly und persische Delikatessen. (Auf einem neuen Schiff angemustert)
Das waren ja schöne Zustände auf diesem Schiff! Ich
hoffte, dass alles gut gehen würde. Schnell lebte ich mich ein
und fand Anschluss an die zu meinem Arbeitsfeld gehörenden
Kollegen.
So kam es, dass ich mit unserem Steward Walter an
Land ging und auch so mit ihm gut auskam. Die „Trautenfels“
war ein sehr neues Schiff, ein Schwergutfrachter, und sie
konnte mit eigenem Ladegeschirr bis zu 500 Tonnen laden und
auch löschen, ohne dass sie einen Kran von Land benötigte.
Doch ich interessierte mich nicht für solche technischen
Sachen. Ich war schon froh, dass man mich benachrichtigte,
wenn so schwere Sachen an den Haken kamen. Denn dann
musste ich die Schlingerleisten anbringen, sonst wären die
Töpfe vom Herd gerutscht. Im Prinzip war es derselbe Ablauf
wie auf dem letzten Schiff.
Es war wieder einmal Zeit, meinen Geburtstag zu feiern.
Natürlich musste ich einige Biere unter das Volk bringen,
doch eine richtige Feier wollte ich nicht. Es gab zwar den so
genannten „Wodka-Schuppen“. Dieses Etablissement leitete
eine Perserin mit dem sehr seltenen und etwas seltsamen
Namen „Warzen-Elly“. Man kann sich denken, woher der
Name kam – sie hatte das Gesicht voller Warzen. Bei ihr
wollte ich nicht feiern. Meinen neuen Freund Walter lud ich
ein, mit mir an Land zu gehen. Ich hatte von unserem
Schiffsagenten gehört, dass es in Abadan ein Hotel mit einer
sehr netten Bar gäbe. Da fuhren wir hin. An Bord kannte die
Bar zum Glück kaum jemand so konnte ich mit Walter in
Ruhe einige Drinks nehmen.
Die Bar war angenehm klimatisiert, nett beleuchtet und
sehr sauber. Man konnte meinen, in Europa zu sein.
Zu unserer Überraschung fanden wir auch noch zwei
nette und gut aussehende Barfrauen vor. Natürlich nahmen wir
an der Bar und nicht an einem der Tische Platz, allein schon
um näher bei den Damen zu sein. Vielleicht konnte man ja ein
Gespräch anfangen. Außer uns waren nur Amerikaner in dem
Laden. Die Anzahl der leeren Bierdosen auf den Tischen
zeugte von reichlichem Verzehr. Auch neben uns saßen drei
der Amis und tranken ihr Dosenbier. Wir nahmen Becks-Bier
in Flaschen. Nach Mitternacht waren nur noch die drei und wir
beide am Tresen. Die Tische waren schon alle leer und wir
konnten uns mit den Barfrauen unterhalten. Natürlich kamen
die normalen Fragen: Woher wir kämen, was wir hier machen
würden, wie lange wir bleiben würden und so erzählten wir
unsere Geschichte. So war es in jedem Land, in jedem Puff
und in jeder Bar. Doch diese beiden Frauen waren anders. Als
sie hörten, dass wir Deutsche sind, wollten sie viel mehr
wissen. Einer der Amis verabschiedete sich von den anderen
und es blieben nur noch die beiden und wir zwei übrig. Ich
wurde das Gefühl nicht los, dass die beiden auf die Barfrauen
warteten. Sie spendierten den Frauen einen Drink nach dem
anderen und achteten gar nicht darauf, ob die Frauen sie auch
tranken – das war ihnen völlig egal. Doch schon einige Zeit
unterhielten sich die Frauen nur noch mit uns und servierten
uns unaufgefordert Bier. Irgendwann wollten wir bezahlen.
Doch anstatt uns die Rechnung zu geben, wurden die Amis
abkassiert und zur Tür gebracht. Laut protestierend und schon
sehr schwankend verschwanden sie dann auch. Als letzte
Gäste fragten wir wieder nach der Rechnung. Als Antwort
schob mir eines der Mädchen zwei Schlüssel mit Nummern
zu. Wir sollten die Türe neben der zur Toilette nehmen und in
den zweiten Stock gehen.
Dort fänden wir die Zimmer und sollten warten. Das mit
der geraden Nummer sei ihres. Ich wollte wissen, was das
alles werden sollte. Die Antwort war eindeutig: Die Rechnung
sei beglichen, wir sollten keine Fragen stellen und in den
Zimmern warten. Ich packte Walter am und zog ihn mit mir in
Richtung Tür. Walters fragender Blick nötigte mir eine kurze
Erklärung ab und ich schob ihn in das Zimmer mit der
Nummer 21. Ich wollte gegenüber im Zimmer 20 warten.
War das etwa ein Geburtstagsgeschenk von meinem
Kobold?
Ich glaube, ich habe noch gar nicht diesen kleinen Kerl
erwähnt – nein, ich meine nichts Unanständiges. Der Kobold
trat immer dann in meinem Leben, wenn etwas nicht normal
ablief.
Also war er praktisch mein ständiger Begleiter. Meist
setzte er sich auf eine meiner Schultern. Auf die linke, wenn er
böse war oder mich zu etwas verleiten wollte, was nicht gut
für mich war. Auf die rechte, wenn er wohl gesonnen war und
mit etwas Gutes tun wollte. Heute spürte ich ihn allerdings im
Genick – etwas Neues. Mal abwarten, für welche Seite er sich
noch entscheiden würde. Links der Schweinehund und rechts
der Liebe.
Ich schloss die Tür zu Zimmer 20 auf und trat in ein ganz
normales Gästezimmer mit vielen herumliegenden
Frauenklamotten. Natürlich hatten wir an der Bar im Gespräch
die Namen der Frauen erfahren. In Zimmer 20 war Sierien,
und in 21 Sara. Ich musste an meinen 19. Geburtstag denken
und fragte mich, ob ich diesmal mit einem „guten“ Mädchen
feiern würde. Mir fiel eine Lebensweisheit ein, die mir der
Bootsmann auf der „Freienfels“ erzählt hatte. Die ging
ungefähr so: Gehst du zu einer Nutte, vergiss, dass du bezahlt
hast. Egal wie viel. Sei einfach nett zu ihr und behandele sie
so, als ob es deine Freundin oder deine Frau wäre. Sie wird es
dir danken, indem sie dich nicht als Freier sieht, sondern als
Freund. Achte sie, verachte sie nicht. Hast du eine feste
Freundin oder bist verheiratet, denk dran, dass du bezahlt hast
und du für dein sauer verdientes Geld das haben willst, wofür
du bezahlt hast. Also sollte ich jetzt nett zu Sierien sein.
Allerdings war doch vom Bezahlen gar nicht die Rede
gewesen. Das ging doch hier irgendwie um Sympathie, oder
sollte ich mich da getäuscht haben? Kam da noch eine
Rechnung? Wenn ja, würde ich abhauen!
Sierien kam ins Zimmer, mir wurde ganz komisch und
ich kämpfte mit dem Gedanken, wegzulaufen. Aber ich tat es
nicht, sondern genoss die Nähe dieser Frau. Sie setzte sich
neben mich auf das Bett und erklärte mir, sie würde mich sehr
sympathisch finden. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die
sie nicht ausstehen könnte. Amis seien immer so arrogant und
wären der Ansicht, die Welt würde nur ihnen gehören. Sie
würden immer noch meinen, dass jeder, der nicht Amerikaner
sei, noch als Sklave zu behandeln sei. Aus dem Grunde
kassierte sie die Amis ab und ließ uns das Bier zukommen.
Unsere Zeche hatten also die Amerikaner bezahlt – das hörte
sich doch gut an! Wenn die so doof waren und es nicht
merkten, so what! Ich wollte wissen, was die Amis in Abadan
machten. Sie wusste, dass in der Nähe eine große Öl Raffinerie gebaut würde. Die Amerikaner waren dort
Geldgeber, Entwicklungshelfer und sicher später die
Nutznießer beim profitablen Ölfluss. Da war mir auch sofort
klar, warum die „Hansa“ so viele Waren aus Amerika in den
Golf brachte. Auch ein Flughafen wurde mit Hilfe der
Amerikaner gebaut. Ich hatte schon gemerkt, dass fast überall
im Golf die Amerikaner waren, ob im Irak, in den Emiraten
oder hier in Persien. Ihre Schiffe, die noch aus dem letzten
Krieg stammten, die so genannten Liberty- Schiffe, sah man
ständig im Golf und auf See.

Wie überall im Orient so auch hier: Wenn man es sich
leisten konnte, ging man nicht vor 2 Uhr morgens ins Bett.
Doch hier war es arbeitsmäßig bedingt.
Die Mädchen mussten so lange aufbleiben und das wohl
jeden Tag. Somit war der Service nicht überrascht, wenn um
diese Uhrzeit noch Essensbestellungen an die Küche kamen.
So war es auch jetzt. Walter und Sara waren zu uns
herübergekommen und die Mädchen hatten etwas zu essen
bestellt. Weder Walter noch ich hatten bisher richtig Persisch
gegessen und waren gespannt, was da wohl kommen würde.
Wir waren überrascht, was da auf einem riesengroßen runden
Tablett angeschleppt wurde. Es war mit Schüsseln und Tellern
beladen – ein Wahnsinn! Um diese Uhrzeit solch eine Menge
Essen aufzutischen! Meine Neugier erwachte und ich wollte
von Sierien wissen, was das alles sei, wie es heißt und wie es
gemacht wurde.
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Sie holte Papier und Kugelschreiber und ich fing an, mir
alles aufzuschreiben. Während wir aßen, erklärte sie mir die
köstlichen Sachen. Die ovale Platte war beladen mit:
***„Burma Tak“. Das sind gefüllte, wild gewachsene
Weinblätter. Die Füllung besteht aus einer Farce, je zur Hälfte
Hammelfleisch und Hühnerleber und mit ebenso vielem halb
gar gekochtem Reis vermischt. Die Blätter werden damit
gefüllt, gerollt, in Salzwasser gekocht, abgetropft und
schwimmend in Fett gebacken.
In einer anderen Schüssel war „Mehemalou“. Das heißt
auf Deutsch ganz einfach „Lammragout“: Lammfleisch wird
in grobe Würfel geschnitten und mit Zitronensaft, gehackten
Zwiebeln, Knoblauch, Lorbeerblättern und zerdrückten
Pfefferkörnern sowie Nelken mariniert. Alles zusammen wird
in Hammelfett scharf angeröstet, mit Mehl bestäubt und mit
Hammelbrühe aufgegossen. Salz, Zucker und Safran werden
beigefügt, alles wird halb gar geschmort. Dann entsteinte und
eingeweichte Backpflaumen sowie getrocknete Muskattrauben
beifügen und fertig schmoren. Die Soße wird mit
Traubensirup vervollständigt und mit gehobelten, gerösteten
Mandeln und frischen Pistazien bestreut.
In der nächsten Schüssel war „Djudje – Rob ‚h-e Anar“.
Dafür gibt es keine Übersetzung. Es sind Hähnchenteile in
einer Granatapfelsoße.
Noch blutige Hähnchenteile werden gebraten. Der
Bratensaft wird mit etwas Zitronensaft abgelöscht, zerdrückter
Knoblauch, geriebene Zwiebel, Granatapfelsaft und je eine
Prise Zucker, Salz und Pfeffer werden aufgekocht.
Die Hühnerstücke werden in der Soße gar gezogen und
mit gehackten Kräutern wie Basilikum, Dill, frischem
Koriander, Petersilie und Bohnenkraut bestreut. Dazu gibt es
den leckeren, körnig gekochten Reis.
Die Nationalspeise durfte natürlich nicht fehlen: Djelou –
Khabab“. Dieses Gericht bekommt man in ganz Persien in
jedem noch so kleinen Restaurant oder in jedem
Überlandrestaurant an den Fernstraßen: Hammel- oder
Lammfilet wird dünn geklopft, mit Salz, Pfeffer und Kurkuma
gewürzt, durch Stärkemehl gezogen und am Holzfeuer
gebraten. Der Reis bekommt einen dicken Klecks Butter
darauf und fertig.Langsam leerte sich das große, runde Kupfertablett und
unsere Mägen füllten sich. Ich konnte nicht mehr. Doch da
war noch der Nachtisch, eine Schale mit fast schwarzen
zuckersüßen Datteln. Wie würde jetzt noch das Dessert
ausfallen? Es gab keine Steigerung! ***
Doch da hatte ich michgetäuscht. Nachdem der Kellner die leeren Schüsseln und
Teller abgeräumt hatte, gingen Walter und Sara auf ihr
Zimmer und wir waren nun endlich alleine und begaben uns in
ihr Bett, wo ich dann mein Dessert bekam.
Wir tasteten uns langsam voran. Jeder hatte wohl Angst
etwas Falsches zu tun. Ich hatte keine Ahnung wie eine
Perserin, eine Muslimin, im Bett sein würde.
Ungewohnt war schon, dass sie rasiert war und keine
Schamhaare hatte. Ich hatte eine ganz verkehrte Vorstellung,
wie eine Muslimin im Bett sei. Es überraschte mich, dass sie
alles so machte, wie eine Europäerin oder Inderin es auch tut.
Der einzige Unterschied waren der Körper und die rasierte
Muschi.
Man hatte mir erzählt, dass Araberinnen oder überhaupt
die Frauen aus dem Orient, sich nur steif hinlegen und sich
befruchten lassen würden, doch das stimmt nicht. Die fahren
genauso ab, wie die anderen auch, man muss sie nur fordern
und fördern.
Es war eine Erfahrung, die ich nicht missen wollte und
deswegen waren Walter und ich fast jeden Tag, den wir in
Abadan lagen, in der Bar. Aus Berechnung gingen wir erst
sehr spät von Bord, so mussten wir nicht so lange auf die
Frauen warten und auch nicht so viel trinken. Unsere
Kameraden an Bord wunderten sich nur, wo wir wohl immer
hingehen würden. Doch unser Geheimnis behielten wir für
uns. Man munkelte schon, dass wir zwei schwul seien und uns
mit Einheimischen einlassen würden. Wir legten kein Veto ein
und ließen sie in diesem Irrglauben- wir konnten damit leben.
Besser so, als dass die halbe Besatzung in der Bar aufkreuzte.
Walter und ich kamen eines Morgens wieder von unseren
Mädchen und mussten an Warzen-Ellys Wodkaschuppen
vorbei. Dort bemerkten wir einen riesigen Menschenauflauf.
Was war da los? Beim näheren Hinsehen war da nur noch ein
riesiger Bretter- und Steinhaufen, wo einmal der
Wodkaschuppen war. Polizei, Hafenverwaltung, unser
Kapitän, der Schiffsagent und noch viele andere wichtige
Leute sowie Warzen-Elly waren vor Ort. Wir wollten nicht
unbedingt gesehen werden und schlichen uns an dem ganzen
Spektakel vorbei auf unser Schiff. Dort erfuhren wir, was
passiert war:
Die Jungs von unserem Schiff waren im Wodkaschuppen
und wollten nicht gehen. Warzen- Elly aber wollte Feierabend
machen und rückte keinen Wodka und auch kein „Abjou“
mehr raus. „Abjou“ war das Wort für Bier und hieß „Wasser
vom Himmel“. So erklärte es mir ein Perser. Also schmiss
Warzen-Elly die angetrunkenen Jungen kurzerhand raus.
Eigentlich war alles wie immer – aber dieses Mal war einer
dabei, der die anderen aufhetzte und eine wirklich blöde Idee
hatte, die dann nicht so gut verlief. Man wollte der Wirtin eine
Lektion erteilen und einen Streich spielen. Alle waren
einverstanden: Unser Schiff lag nur 30m entfernt und es wurde
ein langes Stahlseil aus dem Schiffsstore geholt. Das eine
Ende wurde an der Winsch befestigt, den Rest des Drahtseiles
schleppte man um den Schuppen herum, zerrte das Seil zurück
zum Schiff und befestigte das zweite Ende an einer anderen
Winsch. Diese wurde aktiviert und das Drahtseil wickelte sich
um die nun laufende Winsch und zog das Seil straff und
immer straffer, bis es den Schuppen vom Erdboden löste und
dieser zusammenbrach.
Was übrig blieb, sahen wir am Morgen. Wer es nicht
weiß: Diese Winschen konnten bis zu 500 Tonnen liften
konnten, hatten also eine höllische Kraft. Der Schuppen von
Elly war da kein Hindernis.
Als der Schaden festgestellt war, wurden anteilig von den
beteiligten Seeleuten gewisse Summen an Dollar gefordert,
damit ein neuer Wodkaschuppen für Elly entstehen konnte.
Die Agentur bezahlte Elly vorab und den Beteiligten wurde
monatlich eine Summe von ihrer Heuer abgezogen. Diese
Lektion hatten sie gelernt.
Der Tag der Abreise kam und so auch der Abschied von
unseren Bardamen. Walter und ich waren beide sehr traurig,
doch so ist das nun einmal, wenn man Seemann ist. Aus
diesem Grunde hat ein Seemann wohl auch keine richtige,
feste Freundin oder es ist eine so starke Bindung vorhanden,
dass beidseitig auf vieles verzichtet wird – oder aber es wird
betrogen und gelogen. Aber das muss jeder mit sich selbst
ausmachen. Ich fand es so, wie Walter und ich das zu der Zeit
machten, war es ganz gut und tat niemandem weh. Ich war
sehr froh, dass ich keine Freundin hatte. So konnte ich
mitnehmen was ich wollte. Ich genoss das „Frei sein“ und
würde es so lange verteidigen, wie ich es für richtig hielt. Ich
würde mich von einer Frau so schnell nicht einfangen lassen.
Nur mit der Tänzerin aus Colombo, an die ich immer wieder
denken musste, würde es etwas ganz anderes sein……..bis zum nächsten mal…..