Sabrina und ihre Geschichte

………..Da ich von Nepal kam, hatte ich auch schon einige von
diesen kaputten Möchtegern-Aussteigern, die es nicht
geschafft hatten und nun mit der billigsten Variante, dem Bus,
nach Hause wollten.
Sie hatten viel Zeit, aber kein Geld mehr für ein
Flugticket, nur noch das Geld für den Bus und für drei
Wochen insgesamt zehn Dollar für das Essen.
Manche waren schon bei der Botschaft vorstellig
gewesen, hatten Geld und Heimflugticket bekommen, aber das
Ticket – wie sollte es anders sein – verhökert.
Ein zweites Mal konnten sie nicht mehr zur Botschaft,
dafür war aber der Bus noch da.
Von solchen Leuten hatte ich schon eine Menge, aber
dieses Mal hatten sie bis Salzburg gebucht. Ein junges
Mädchen fragte mich schon das dritte Mal, wie viel freie Sitze
es noch gäbe. Ich sagte ihr, dass es noch zehn seien, aber sie
sollte sich beeilen, denn die Sitze könnten schnell weg sein
und in zwei Tagen würde ich fahren.
Dann hätte sie eben Pech, war die Antwort und sie
verschwand wieder.
Am Tag vor der Abfahrt kam sie noch einmal und fragte
nicht, wie viel Sitze noch frei wären, sondern sie fragte gerade
heraus, ob es eine Chance gäbe, dass sie ohne Geld mitfahren
könnte. Ich verwies sie an die Botschaft, doch sie war schon in
Nepal bei der Botschaft gewesen, hatte Geld und ein Ticket
bekommen, doch das Geld war jetzt alle. Das Ticket hatte sie
an eine andere Person verkauft, weil sie von meinem Bus
gehört hätte, der viel billiger sei und sie so etwas Geld übrig
hätte. Ich fragte sie, warum sie dann nicht ein günstiges
Busticket bei mir kaufen könne und wo das Problem wäre.
Auch wenn es ihr offensichtlich peinlich war, erzählte sie mir
dann ihre Geschichte.

Sabrina und ihre Geschichte
Ich hör eine Story, die ich so oder ähnlich schon des
Öfteren gehört hatte: Sie war mit ihrem Freund in einem VWBus von Bayreuth nach Katmandu gefahren. Alles war gut und
schön, bis der Freund eine andere gefunden hatte und ihr ganz
einfach sagte, sie solle verschwinden. Sie wollte so leicht nicht
aufgeben und kämpfte um ihre Position. Doch ihr Exfreund
hatte sie und ihre Sachen einfach aus dem Bus, in dem sie
zusammen gelebt hatten, hinausgeworfen und war mit der
gemeinsamen Reisekasse davongefahren.
Wohin er war, wusste sie nicht, sie nahm aber an, er wäre
mit der neuen Freundin nach Süd-Indien, wo auch sie
ursprünglich zusammen hinwollten.
Bei der Botschaft hatte sie Geld und Ticket bekommen,
doch sie hatte gehört, dass man mit dem Bus für 100 $ nach
Europa käme.
Also verkaufte sie das Ticket von der Botschaft und hatte
über 200 Dollar übrig. Damit wollte sie etwas länger in Indien
bleiben.
Sabrina wollte noch mehr Geld einsparen und war daher
mit einem nepalesischen Bus bis zur indischen Grenze
gefahren, von dort mit einem indischen weiter.
Kurz nach der Grenze war der indische Bus mit einem
Achsenschaden zusammengebrochen und die Fahrgäste
mussten sehen, wie sie weiterkamen.
Ein Lastwagenfahrer bot Sabrina an, sie bis zur nächsten
Stadt mitzunehmen, was ihr sehr gelegen kam.
Er blieb auf halber Strecke an einem Teehaus stehen und
hatte dort Freunde, mit denen er auf einem mitgebrachten Grill
einige Hähnchenteile zubereitete und dann gemeinsam
verzehrte, ihr gab man auch zu essen und zu trinken. Als es
schon dunkel war und der Fahrer etwas betrunken, wollte er
lieber nicht mehr weiter fahren. Sie hatte das Gefühl, dass sich
alles um sie herum drehte und schaukelte.
Dann merkte sie noch, wie einer der Kumpels sie aus dem
LKW zog, auf eine Pritsche warf und vergewaltigte. Doch
damit nicht genug, die anderen fielen auch noch über sie her,
wie viele es waren, wusste sie nicht mehr, da sie nicht ganz bei
Sinnen gewesen war, weil man ihr etwas in den Tee gegeben
hatte. Geschrei und Kampf brachten ihr nichts außer Schläge.
Sie schob als Beweis den Sarong, den sie anhatte, etwas
hoch und man sah die blauvioletten Blutergüsse noch sehr
deutlich. Verlegen hob sie auch die Bluse. Da waren dieselben
Merkmale der brutalen Gewalt, mit der sie ruhig gehalten
wurde.
Den Rest wollte ich nicht sehen, mir reichte es auch so
schon.
Können Männer, Menschen, einer Frau gegenüber so
brutal sein? Was sind das für Bestien?
Diese immer netten und höflichen Inder- waren die in der
Lage so etwas zu tun?
Aber hier waren es eben Inder, in einem anderen Land
sind es die dortigen Einwohner.
Ich bot ihr an, zur Polizei zu gehen, um eine Anzeige zu
machen, oder zur Botschaft.
Doch sie winkte nur ab, zur Botschaft können sie wegen
des Geldes und dem verhökertem Ticket nicht.
Und bei der Polizei war sie am Tage danach in jener Stadt
gewesen, doch die sagten nur, dass sie die Fahrer zu so einer
Tat ermutigt hätte. Wahrscheinlich wäre sie bekifft gewesen.
Inzwischen wusste sie auch, dass nicht alle indischen
Fahrer so waren, denn ein anderer Fahrer hatte sie im
Morgengrauen am Straßenrand in ihren zerrissenen Klamotten
gesehen, sie mitgenommen und ihr im nächsten Ort den
Sarong und die Bluse gekauft. Danach hatte er sie bis AltDelhi mitgenommen und ihr auch noch ein paar Rupien für die
Rikscha gegeben.
Die letzten zwei Tage hatte sie bei einem Mädchen in
einer kleinen Pension geschlafen. Dieses Mädchen hatte sie
vor der Pension getroffen, als sie erfolglos andere um einen
Schlafplatz angesprochen hatte.
Nun kam die Frage wieder, ob es möglich sei, ohne Geldmitzufahren. Wenn der Bus sowieso nicht voll wäre, könnte
sie doch einen der leeren Sitze haben, ohne dass mir Schaden
entstehen würde. Die unverblümte Logik von einem Mädchen,
das nichts mehr zu verlieren hatte. Natürlich war mir klar, dass
die Inder ihr kein Geld gelassen hatten. Sie konnte froh sein,
dass sie ihr Leben und den Pass noch hatte. Den Pass hatten
die Banditen in ihren leeren Rucksack gesteckt, nachdem sie
alles Brauchbare herausgenommen hatten. Ein indischer
Truckfahrer mit einem deutschen Rucksack, das wäre wohl
aufgefallen und womöglich hätte die Polizei was
unternommen. Doch die wollten ja mit der Sache nichts zu tun
haben.
Ich fasste ihre Situation zusammen: Sie steckte ganz
schön in der Scheiße.
Sie war ein Wrack, hatte einen zerschundenen Körper,
zitterte, hatte kein Geld, ihre Seele war kaputt, sie hatte keine
Freunde und wollte drei Wochen lang nichts essen oder
trinken, weil sie ja kein Geld hatte.
Aber sie wollte mit diesem Bus nach Bayreuth. Ich schlug
ihr noch mal vor, zur Botschaft zu gehen oder sich Geld von
Eltern oder Verwandten schicken zu lassen. Doch sie hatte
keinen Vater und die Mutter konnte ihr nichts schicken, weil
sie selber nichts hatte. Auch war ihre Mutter gegen diese Reise
gewesen, sie mochte den Ex-Freund überhaupt nicht und hatte
immer gesagt, dass er nichts taugen würde. Er wäre
charakterlos, und das hatte er a auch bewiesen. Verwandte gab
es auch keine.
Ich konnte dieses Häufchen Elend nicht länger quälen
und sagte ihr, dass sie in diesem Bus einen Sitz hätte, soweit
dieser Bus fahren würde.
Um das Essen müsse sie sich aber selber kümmern, sie
müsste die „Brothers und Sisters“ anbetteln und mich aus dem
Spiel lassen.
Das wäre meine Bedingung.
Was ich mit ihr vorhatte, sagte ich ihr aber noch nicht:
das war das Schreiben der Passagierliste, denn dafür gab es
Essen und Trinken.
Wir verabredeten uns für den nächsten Tag morgens um 7
und aus Spaß meinte ich noch, dass sie ihr Reisegepäck nicht
vergessen solle. Dieser Spaß kam aber gar nicht gut an.
Meine neue Bürokraft Sabrina war ein ganz nettes
Mädchen, das, warum auch immer, in ihrem jungen Leben
schon so viel Scheiße erleben musste.
Sie bemühte sich sehr, dass es nicht allzu auffällig war,
was sie in den letzten Tagen mitmachen musste.
Da ich ihre Geschichte kannte, sah ich aber wie gequält
und unglücklich sie war.
Hier gab es keinen Seelendoktor oder Psychotherapeuten,
der ihr helfen könnte. Hier war sie auf sich alleine gestellt.
Doch sie war tapfer, jammerte nicht und ging auch niemanden
auf den Nerv.
Alles sprach von „Flower Power“ und alle wollten als
„Brothers und Sisters“ angesehen werden. Selbst mich sprach
man als „Brother“ an, doch es waren nur Floskeln. Immer
wieder hatte ich feststellen müssen, dass es genauso schwache
Charaktere waren wie die, die sie nicht mochten: die
Straighten, die Akkuraten, die Spießer.
Auch Hippies hatten ihre Schwachstellen und das kam
besonders zum Vorschein, wenn es um das Mein und Dein
ging- so nach dem Motto: „Was Dein ist, ist auch Mein, doch
was Mein ist, geht dich einen Scheiß an“. Das ist so, wie die
Araber behaupten, dass sie alle Brüder sind. Nach deren
Motto: „Alle Araber sind Brüder und willst du nicht mein
Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein.“
Meine Passagiere hatten Sprüche drauf, die so klangen:
„Hast du Haschisch in den Taschen, hast du immer was zu
naschen.“
Oder, die ganz versauten:
“Hast du „H“ in der Blutbahn, kannst du fliegen wie ein
Truthahn“ oder „ A joint a day keep your worries away.”
Im Libanon war man noch so unschuldig, da sah man auf
riesigen Tafeln am Wegesrand: An apple a day keeps the
doctor away“
Doch hier in unserem Bus hatten wir ganz harte
Mitfahrer, die nur für sich da waren. Am zweiten Tag wurde
es mir zu blöde und ich musste etwas sagen.
Dieses „Brother und Sister“- Geschwafel ging mir auf die
Nerven.
Es war in Amritsar bei unserem Frühstücks-Stopp an
einem kleinen „Chaikahna“, so nannten die Inder diese TruckStopps. Obwohl ich bei der Abfahrt in Delhi am Tag vorher
ganz kurz auf Sabrina aufmerksam gemacht hatte und sagte,
dass sie sich über eine Tasse Tee oder einen Chapatti freuen
würde, da sie absolut kein Geld hätte, war bis jetzt niemand
auf die Idee gekommen, ihr etwa einen Tee anzubieten. Nun
waren schon 24 Stunden vergangen, wir hatten schon einige
Pinkel- und Teepausen. Doch bis jetzt hatte sie noch keinen
Tee bekommen. Ich war so sauer, dass ich bis Amritsar fuhr
und vor dem Hotel den Bus stehen ließ, Sabrina zum
Frühstück ins Hotel mitnahm mit der Bekanntgabe, dass ich
nicht genau wüsste, wann ich weiterfahren würde. Das käme
darauf an, wie viel Zeit sich Sabrina zum Frühstücken ließ.
Niemand sollte aus dem Bus steigen, denn wenn ich wieder
losführe, dann ohne Kontrolle, ob alle anwesend wären.
Nachdem Sabrina ihr Frühstück bekommen hatte, fuhren
wir weiter. Es fehlte niemand, doch bis zur Grenze war eine
Totenstille im Bus.
Sabrina bat ich, mir bei den Passagierlisten zu helfen, was
sie gern tat.
Von da an war Sabrina mein Gast und ich brauchte mich
nicht mehr um die Listen zu kümmern.
Da ich solo war und es auch bleiben wollte, teilte ich
zwar mit ihr das Zimmer, aber nicht das Bett. Was sie
durchgemacht hatte, musste unweigerlich zu einem totalen
Hass auf alles, was mit Sex und Männern zu tun hatte, führen.
Sie hatte genug mitgemacht und brauchte Abstand von solchen
Dingen. Sie brauchte einen Freund, aber ganz bestimmt keinen
Sex. Auch deshalb hielt ich mich zurück.
Wir verstanden uns sehr gut, wohl, weil ich sie so gut
verstand.
Wenn wir vor Teehäuser stoppten, leerte sie die
Aschenbecher und machte auch den Bus von innen sauber.
Auch zündete sie mir hin und wieder unaufgefordert eine
Zigarette an und schob sie mir in den Mund. Es freute mich zu
sehen, wie sie wieder Freude am Leben bekam, dieses
apathische Vor- sich- hin- Stieren hatte sie inzwischen
abgelegt und nahm an Gesprächen teil. Auch legte sie meine
Lieblings-Kassetten ein, und ich genoss meinen Neil
Diamond, Cat Stevens und Bob Dylan. Was meine Hippies
ärgerte, denn die wollten den ganzen Tag das GitarrenGejaule von Santana oder die Sitar Klänge von Ravi Shankar
hören.
Von Tag zu Tag wurde Sabrina selbstsicherer, und mir
fiel auf, dass sie auch schöner wurde. Ich verehrte sie, doch
ich bedrängte sie nicht, das gefiel ihr sehr und machte sie
glücklich.
In Kabul stiegen einige aus und einige kamen bis Istanbul
dazu.
In Istanbul erklärte ich noch einmal, dass ab sofort ein
absolutes Haschisch-Verbot wäre. Wer mit einem Joint
erwischt wird oder Schiet dabei hätte, wird rausgeworfen und
es gibt kein Geld zurück.
In Jugoslawien wurde es sehr kalt und ich musste die
Heizung anmachen. Der Bus hatte zwei verschiedene
Heizsysteme: einmal das heiße Wasser vom Motor und dann
noch einmal der separate, mit Diesel laufende, WebastoLüfter. Diese Heizer brummten ganz schön, wenn die Lüfter
an waren.
Ich hatte einen Jungen im Bus, der schon sehr
weggetreten war. Wohl einige Male zu viel des „Guten“
erwischt und somit hatte die Überdosis seinen Hirnkasten
etwas verbeult.
Den Jungen hatte ich von einer Botschaftsangehörigen
bekommen, die das Ticket bezahlt hatte und ich sollte etwas
besser auf ihn aufpassen, da er etwas krank sei. Ich hatte
verstanden.

Seit zwei Tagen ging mir der Bub auf die Nerven, einige
Male brüllte er durch den Bus, dass ich sofort stoppen sollte,
da wir ein Rad verlieren würden. Beim ersten Mal hielt ich an
und checkte meine Reifen, doch alles war in Ordnung. Später
ignorierte ich ihn mit seinem Gebrüll und die Passagiere hatten
wohl auch gemerkt, dass er nicht mehr sauber tickte.
In Spielfeld, an der österreichischen Grenze, war es
bitterkalt, doch alle mussten aussteigen und der Bus wurde
einer größeren Kontrolle unterzogen. Alle mussten mit ihrem
ganzen Gepäck aussteigen und in eine geheizte Halle zur
Kontrolle des Gepäcks. Mein Bus wurde von vier Beamten in
meinem Beisein kontrolliert. Sie verlangten von mir, dass ich
die Heizung ausbauen sollte. Warum diese ungewöhnliche
Schikane, fragte ich, und als Antwort bekam ich, dass ein
Fahrgast ihnen erzählt hätte, dass mit der Heizung etwas nicht
in Ordnung sei. Sie würde nicht heizen. Daraufhin hätten sie
den Verdacht, dass im System eventuell etwas versteckt sein
könnte.
Was konnte ich da noch sagen, doch ich fragte, wer das
wohl gewesen sein konnte und prompt kam die Antwort, dass
es der Junge war, der so kränklich aussehen würde.
Ich konnte die Zollbeamten davon überzeugen, dass er
wirklich krank sei und nur Müll erzählen würde. Die Heizung
wurde nicht ausgebaut. Doch dafür kam eine neue
Hiobsbotschaft:
Der Zoll hatte bei einem Ceylonesen mit deutscher
Freundin 2 kg Haschisch gefunden.
Nun war die Scheiße natürlich perfekt.
Ein Zollbeamter hatte den jungen Mann beobachtet, wie
er die Platte aus seinem Rucksack genommen hatte und sie
unter der Treppe zum Zollgebäude warf.
Nun musste ich gar nichts mehr machen, denn ein
Spezialteam kam und nahm den Bus auseinander. Nach einer
Zeit von 8 Stunden konnte ich meinen Bus wieder in Empfang
nehmen.
Das Perverse an der Sache mit dem Ceylonesen war, dass
ich ihn von Delhi aus umsonst mitgenommen hatte. Angeblich
hatte man ihn überfallen und sein Geld gestohlen. Aber Geld
zum Schiet kaufen hatte er wohl! Und als Dank hatte er mir
solchen Ärger eingebrockt! Es wurde im und am Bus kein
Rauschgift gefunden, doch ich konnte erst weiterfahren, wenn
ich zwei neue Vorderreifen gekauft und montiert hatte.
Wie sollte das gehen?
Es war inzwischen 22 Uhr und wo sollte ich noch Reifen
herbekommen?
Also war eine Nacht an der Grenze angesagt. Meine
Leute waren nicht begeistert, denn es waren -20 °C und im
Bus zu schlafen war nicht möglich. Das Gasthaus an der
Grenze war gut geheizt und wir begaben uns in das mollig
warme Gastzimmer.
Einige tranken nur etwas und andere bestellten Essen,
wozu auch meine kleine Listenschreiberin und ich gehörten.
Doch gegen Mitternacht wollte die Wirtin schließen. Das hieß
für uns, raus in die Kälte, was unmöglich war. Mit der Wirtin
konnte ich verhandeln und wir kamen zu der Vereinbarung,
dass ich die letzten drei Zimmer nehmen konnte und der Rest
durfte im Schankraum schlafen.
Meine Leute holten ihre Schlafsäcke und legten sich im
Schankraum wie die Heringe nebeneinander. Die zwei
Zimmer, die frei waren, wurden mit den restlichen etwas
besser Zahlenden belegt. Das letzte Zimmer war für mich und
Sabrina.
Doch mein bekloppter, kranker Junge wollte immerzu in
die Küche, dann wieder hat er die Wirtin angebrüllt, sie sei
eine Hure, und zum Schluss hat er in die Toilette neben den
Sitz gekackt. Das war der Wirtin zu viel und sie verlangte von
mir, dass ich ihn im Bus schlafen lassen sollte, oder alle
müssten raus. Ihr war es, egal wie kalt das werden würde. Mir
blieb nichts anderes übrig als den Idioten in den Bus zu lassen
und ihm auch noch meinen Schlafsack zu geben. Ich erklärte
ihm noch einmal, wie er die Tür aufmachen könnte und dass er
auf der Rückbank gut schlafen könnte. Ich nahm den Schlüssel
und ging wieder zurück in die warme Gaststätte.

Da ich doch sehr müde war, auch einige Grog und
Jagertee intus hatte, schlief ich wie ein Murmeltier, bis man
mich am nächsten Morgen mit einem unsanften Gerüttele
weckte. Sabrina war mit einigen Passagieren im Zimmer und
meinte, ich solle mir den Bus einmal ansehen. Ich ahnte Böses,
doch konnte ich mir nicht vorstellen, was der Zirkus sollte. So
begab ich mich in die Gaststube, wo schon alles aufgeräumt
war und ich zuerst einen Kaffee trank.
Sogar ein Zöllner kam nun und forderte mich auf zu dem
Bus zu gehen, was ich nach meinem Frühstück tat. Nichts
konnte so wichtig sein wie mein erstes europäisches Frühstück
nach so langer Zeit. Ein österreichisches Frühstück muss man
genießen. Ich ahnte mindestens zwei zerstochene Reifen, von
meinem verrückten Junkie in der Nacht vollbracht. Doch was
ich sah, das haute mich von den Socken!
Jetzt verstand ich meine nervösen Passagiere, die mich so
unsanft geweckt hatten.
Von außen sah ich, dass fast sämtliche Scheiben am Bus
zertrümmert waren. Bis auf die Hinteren und drei an der
rechten Seite waren alle kaputt.
Im Bus waren die ganzen Armaturen und das Radio sowie
die Lautsprecher an der Decke demoliert.
Wie konnte der Junge so etwas machen und niemand
hatte ihn gestoppt?
Die Beamten, die doch die ganze Nacht Dienst hatten,
mussten doch etwas gehört haben. In meiner Fahrertür hatte
ich immer einen Hammer zum Kontrollieren der inneren
Reifen. Mit dem Hammer klopfte ich die Reifen ab, um zu
sehen oder besser zu hören, ob der Luftdruck noch vorhanden
war.
Diesen Hammer hatte der Idiot benutzt, um alles zu
zerschlagen und keiner hatte oder wollte etwas gehört haben.
Mit Hilfe der Beamten telefonierten wir mit dem Vater des
Jungen und erzähltem ihm, was der Bub gemacht hatte. Der
Vater, ein Pfarrer aus der Bielefelder Gegend, war sehr
komisch und erklärte uns, dass er mit seinem Sohn schon
lange nichts mehr zu tun habe. Er sei ein verlorenes Schaf und
nicht mehr zu retten. Wir sollten sehen, wie wir mit ihm
klarkommen würden. Er, der Pfarrer, übernehme keine
Verantwortung für das, was sein Sohn angestellt hätte.
Da kann ich nur sagen: Halleluja!!
Ich konnte mit dem Bus nirgendwo hinfahren. Also
konnte ich mir die Reifen auch sparen. Neue Scheiben, die
ganze Armatur-Geschichte und die Reifen würden mehr
kosten, als der ganze Bus wert war. Also musste ich mir etwas
einfallen lassen. Ich könnte den Junkie umbringen, aber das
würde mir auch nicht weiterhelfen.
Eine andere Lösung musste her.
Gegen Mittag wusste ich, dass der Bus in Spielfeld
bleiben würde.
Was sollte mit meinen Passagieren passieren?
Es gab einige Möglichkeiten, mir ein Taxi bestellen und
abhauen, den Leuten das anteilige Geld zurückzuerstatten,
einen anderen Bus chartern und bezahlen, oder den Leuten ein
Zugticket zu kaufen.
Abhauen ging nicht, das war nicht mein Stil.
Geld zurückgeben ging auch nicht, denn wieso sollte ich
überhaupt etwas für die Leute tun? Durch sie war ich jetzt in
dieser Situation. Ich hatte Verluste genug: zuerst das
Haschisch und nun der kaputte Bus! Das Geld brauchte ich
selber, um mir einen anderen Bus zu kaufen.
Vor jeder Reise hatte ich meinen Spruch durchgesagt:
wenn ich wegen Rauschgift den Bus verlieren würde, wäre die
Reise zu Ende, ohne irgendwelche Rückzahlungen. Das war
hier der Fall. Also erklärte ich jetzt den Leuten, dass ich kein
Geld zurückzugeben kann, aber ich würde jeden LKWFahrer, der nach Westen fahren würde, bearbeiten, dass er
Leute mitnimmt. Das wäre alles, was ich bereit war zu tun.
Einige maulten, doch die meisten resignierten und
ergaben sich in ihr Schicksal.
Es gab Truckfahrer, die bis nach England fuhren. Auch
nach Frankreich und Deutschland fuhren welche.
Die Mädels waren zuerst weg.

Ich ließ mir durch die Beamten von den meisten Fahrern
den Ausweis zeigen. Auch schrieb ich mir die Autonummer
auf. Es dauerte fast drei Tage bis nur noch Sabrina und ich
überblieben.
Drei Tage Zirkus und auch hin und wieder einen Tee oder
ein paar belegte Brötchen hat mich das schon noch gekostet.
Meine „Brothers und Sisters“ waren nicht begeistert, dass
ich sie auf so eine Weise losgeworden bin.
Einige drohten mir mit Rechtsanwalt und Botschaft aber
ich ignorierte es einfach.
Ich hatte zwanzig afghanische Schafsfell-Mäntel zum
Verkauf im Bus. Wie sollte ich die nach Deutschland bringen?
Als kleinen Nebenverdienst brachte ich im Sommer TShirts aus Pakistan, mit eingenähten kleinen Spiegeln, zum
Verkauf mit nach Deutschland. Das war zu der Zeit ein
Renner. Im Winter dann brachte ich diese „Pustinger“, die
Fellmäntel, mit. Die musste ich nun loswerden. Für das Stück
hatte ich gerade einmal zwanzig Dollar bezahlt und in
Deutschland bekäme ich immerhin bis zu hundert Dollar
dafür. Selbstverständlich war alles ohne Zoll.
Nun war ich froh, wenn ich den Einkaufspreis dafür
bekommen würde. Ich hatte Glück und konnte alle Mäntel an
der Tankstelle vor der Grenze an den dortigen Pächter mit
zehn Dollar Gewinn pro Stück verkaufen.
Die Kälte war etwas weniger geworden und beim
Anlassen des Motors klang es sehr verdächtig nach einem
Motorschaden und so machte ich den Motor sofort wieder aus.
Dieses Geräusch kannte ich schon.
Warum machte ich nie Anti-Frost-Mittel in den Kühler?
Ich sagte dem Zöllner, dass die Batterie leer sei, und ob
der Bus so stehen bleiben könnte.
Er meinte, dass das in Ordnung ist, doch ich soll mich
beeilen und eine Werkstatt oder einen Abschleppdienst
beauftragen. Bis jetzt hatte also noch niemand das auslaufende
Wasser bemerkt und so sagte ich dem Zöllner, dass ich den
Bus verschrotten lassen und eine Schrottfirma beauftrag
würde ihn zu holen. Der ein Geschäft witternde Zöllner kam
auf eine Idee. Und genau das wollte ich!

Veröffentlicht von jstollin

Steht alles in meinem Buch: http://www.amazon.de/Mein-Traum-frei-sein-Geschichten/dp/1482708205

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